von Ute Bube, Pia Graf und Carla Bube

Von Otavalo aus geht es für uns in Richtung Südosten – an den Rio Napo. Auf dem Weg dorthin überqueren wir den 4063m hohen Papallacta-Pass, um auf der anderen Seite der Ostkordillere der Anden ins Amazonas-Becken zu gelangen. Ständig erinnern uns Schilder wie Vorsicht – Tapir kreuzt oder Achtung Bären daran, in welcher besonderen Natur wir uns hier bewegen.

Nachdem wir uns über kurvenreiche Straßen bis hinab ins tropisch-feuchte Amazonien-Gebiet herabgeschlängelt haben, machen wir in Tena einen kurzen Stopp, um die mitgebrachten Sachspenden in Form von benötigten Medikamenten für den hiesigen Tierschutz abzugeben.

Ankunft in der Sacha Sisa Lodge

Wir fahren immer kleinere Straßen durch die dichte tropische Vegetation, bis wir endlich einen Bootsanleger bei Ahuano am Rio Napo erreichen. Hier wird das Gepäck, auch Hörner, Trompeten und natürlich die große Tuba, geschickt auf ein kleines, flaches Boot verladen – eine ziemliche Vertrauensprobe für die Musiker, die ihre geliebten und teuren Instrumente aus der Hand geben müssen.

Nach zehn Minuten Fahrt über teils ruhiges, teils rauschenedes grünliches Wasser wird das Gepäck ans Ufer entladen, wir dürfen die dicken, schwitzigen Schwimmwesten ausziehen und die 139 befestigten, hohen Betonstufen den Steilhang nach oben steigen, durch meterhohe Riesenblattstauden und Urwaldbäume – alles feucht und tropfend. Oben schlagen wir uns noch eine Weile über Wurzelwerk durch den Wald, bis endlich große, strohgedeckte Holzhäuser auftauchen: Die Sacha Sisa Lodge, unsere Unterkunft für die nächsten drei Tage.

Die Zimmer sind groß, meist drei Betten, mit den obligatorischen Mückennetzen, ein Bad, einfach, aber ausreichend, Fußböden aus Holzbohlen oder geplättetem Bambus, man kann teilweise durch die Ritzen den kleinen Bach sehen, der unter der Hütte entlang fließt. Wenigstens können größere Insetkten und Spinnen nicht durch das Gebälk von oben in die Zimmer fallen, ein weiteres Insektennetz ist zum Schutz aufgespannt. Allein die Nester der großen Vogelspinnen an den Balken der großen Terrasse zu sehen, lässt uns schon gruseln.

Licht und damit auch Strom gibt es nur nach Sonnenuntergang, also von 18.30 – 22.00 Uhr. Danach ist alles in Dunkelheit getaucht in eine Schwärze, die wir so in Deutschland nicht kennen. Nur Geräusche sind zu hören, aber die überall, laut, durchdringend: Zirpen, Piepen, Pfeifen, Zischen, Tacken, Kreischen und Rascheln. Nur kein längerer melodischer Gesang. Hier, in diesem berauschenden hundertfachen Grün üppigster Blätter, Bäume und anderer Pflanzen haben wir eine kleine Vorstellung davon, was Regenwald bedeutet und genießen am nächsten Morgen einen atemberaubenden Blick in den Sonnenaufgang.

Tour durch den Regenwald

Eine geführte Tour durch den Wald in der näheren Umgebung bringt uns der Natur noch näher. Bananenbäume, gelber Kakao, angeblich der Beste, den es hier gibt, bestimmen die ersten Meter des Weges. Weicher Boden voller Blätter und Gräser lässt uns mit jedem Schritt federnd einsinken. Nach und nach tauchen wir tiefer ein, es geht bergauf und bergab, durch kleinere Fließgewässer, unter herabhängenden Zweigen durch, überall Üppigkeit und unbeschreibliche Fülle. Wir lernen ein Insektenabwehrmittel kennen: Baumtermiten in der Hand zerreiben und sich damit einschmieren, der Geruch vertreibt alles. So werden auch Babys, wenn die Mutter im Wald arbeitet, in eine Matte gehängt, die dem Rauch verbrannter Termitenneseter ausgetzt ist und werden so von Insektenstichen verschont.

Aus Palmblättern wird ein Regenschutz, schillernde Insekten schwirren im Grün umher. Ein Heilmittel aus einer Rindenart, vermischt mit etwas Wasser, wird wird gegen Sinusitis und Grippe in die Nasenlöcher geträufelt – da bleibt keine Nase verstopft. Die intensiv brennende Schärfe treibt die Tränen in die Augen, brennt im Hals und verjagt garantiert jede Bakterie. Der Guide ritzt die Rinde des Drachenblutbaumes mit seiner Machete an, es quillt eine rote, dickliche Flüssigkeit hinaus, die wir natürlich auch testen. Beim Verreiben auf der Hand verändert sich der blutrote Tropfen in eine cremige, hautfarbene Substanz, die Wunden verschließt. Eine weitere Pflanze hat eine mystischere Bedeutung: Der Wald beherbergt nicht nur wohlgesonnene, sondern auch böse Geister, die manchmal die Menschen kollabieren lassen. Der Geruch der Blätter dieses Strauches, zwischen den Händen verrieben, vertreibt die Wirkung dieser bösen Geister.

Traditionelle Landwirtschaft

Am Nachmittag bekommen wir noch bei der Familie, die die Lodge betreibt, einen Einblick in die Landwirtschaft, wie sie hier auf der anderen Seite des Flusses betrieben wird. Dort lernen wir nicht nur, wie viele der Pflanzen hier wachsen, die wir zum Esssen serviert bekommen, sondern können auch sehen, wie Chicha hergestellt wird. Das ist ein Getränk aus fermentierter Maniok-Wurzel, welches je nach Herstellungsart auch etwas Alkohol enthält. Danach helfen wir dabei, aus schon getrockneten Kakaobohnen eine Art ursprüngliche Schokoladenmasse herzustellen, die leicht bitter, aber köstlich aromatisch schmeckt.

Besuch der Wildtierauffangstation AmaZOOnico

Am nächsten Tag steht bei schönstem Wetter eine Bootstour zur Wildtierauffangstation AmaZOOnico an, die etwas flussaufwärts gelegen ist. Bei der Fahrt in den üblichen flachen, schmalen Booten genießen wir die Aussichten auf den Regenwald, bis wir an eine schwierige Stelle kommen. Dort ist durch den sehr niedrigen Wasserstand eine Stromschnelle entstanden, die wir aufwärts überwinden müssen, was im ersten Anlauf nicht funktioniert und wir fast kentern. Wasser strömt kraftvoll und schnell ins Boot und alle Insassen werden bis auf die Unterhose nass. Der Bootsfahrer und seine Frau schöpfen schnellstmöglich das Wasser aus dem Boot, kommen aber nur schwer hinterher.

Schließlich gelingt dann die Fahrt über diese Stelle im zweiten Anlauf und wir kommen mit dem Schrecken davon und in der Wildtierauffangstation an.
Dort haben wir eine Führung mit Freiwilligen aus Deutschland, die über die Organisation Weltwärts hierhin entsendet wurden. Hannah ist unsere Begleiterin, die uns sehr gekonnt die einzelnen, herzzerreißenden Schicksale der Tiere erklärt und auch erläutert, warum einige nicht mehr in die Freiheit entlassen werden können.

Viele der Tiere stammen aus privaten Haushalten, wo sie nicht artgerecht als Haustier – beziehungsweise als Kuscheltier – gehalten wurden, und so ihre für ein Leben in Freiheit nötigen Fähigkeiten und Instinkte verloren haben. Besonders die Papageien haben häufig ihre Flügel gestutzt oder gebrochen bekommen. Andere Tiere stammen aus Versuchslaboren oder wurden geschmuggelt, und sind schwer traumatisiert.

In der Station versuchen die vielen Engagierten, ihnen trotzdem so gut es geht ein würdiges Leben zu bieten und geben den Traum nicht auf, dass sie irgendwann wieder in ihrem natürlichen Lebensraum frei leben können. Die Arbeit von AmaZOOnico hat uns alle sehr bewegt, und wir waren froh, sie unterstützen zu können – schließlich lebt die Organisation ausschließlich von Spenden und Eintrittsgeldern!

Die anschließende Rückfahrt begeht nur noch die Hälfte der Gruppe in Booten – die Mutigen dürfen ein Stück weit den Fluss in alten LKW-Reifenschläuchen hinabtreiben. Diese sehr gemächliche Fahrt führt uns an eine schöne Stelle am Flussufer, wo ein Picknick auf uns wartet und wir auf Bananenblättern leckeres Essen serviert bekommen. Danach laufen wir ein Stück, damit wir die schwierige Passage vom Hinweg nicht mehr mit dem Boot überqueren müssen.

Im Boot angekommen geht’s ein Stück weiter flussaufwärts. An einer kleinen Töpferei lassen wir uns erklären und zeigen, wie dort kleine Schälchen und Haushaltsgefäße ganz traditionell aus lokal gefundenem Ton und natürlichen Farbpigmenten hergestellt werden – ganz ohne Brennofen und Töpferscheibe.

Danach geht es mit dem Boot zurück zur Lodge, was bedeutet, dass die vielen Stufen wieder zu erklimmen sind. Anschließend findet erneut eine Probe mit dem Flusspanorama im Hintergrund statt.

Eine Antwort zu „Probenarbeit und Natur pur am Rio Napo”.

  1. […] letzten Tage hatten wir ja in der Sacha Sisa Lodge am Rio Napo verbracht und dort neben einigen abenteuerlichen Regenwald-Touren auch ausführlich und produktiv […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Angesagt

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten